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Zu „Europäische Union setzt auf Wasserstoff“, erschienen im Schwarzwälder Boten am 30.11.2024

Zu „Europäische Union setzt auf Wasserstoff“, erschienen im Schwarzwälder Boten am 30.11.2024

Für die Europäische Kommission unter Führung von Kommisspräsidenten Ursula von der Leyen ist Wasserstoff die Lösung. Seine Verwendungsmöglichkeiten scheinen endlos: Die chemische Industrie und die Stahlindustrie hoffen auf eine klimaneutrale Verwendung, um ihre Produkte „grün“ herzustellen. Wasserstoff kann aber auch zur Speicherung von etwa Sonnen- und Windenergie genutzt werden. Auch als sogenanntes „E-Fuel“, alternativ zu Autos mit Elektromotor, für Verbrenner eingesetzt werden.

Deshalb will Frau von der Leyen die Herstellung von Wasserstoff aktiv fördern und die Unternehmen mit Geld aus dem „Europäischen Fonds für Wettbewerbsfähigkeit“ unterstützen, wenn sie bei ihrer Produktion die fossilen Energieträger Gas und Heizöl durch den Wasserstoff ersetzen.

Dabei geht die EU-Kommission davon aus, bis zum Jahr 2030 10 Millionen Tonnen Wasserstoff selbst zu erzeugen und 10 Millionen Tonnen zu importieren.

Eines der Leuchtturmprojekte in Europa soll nach Angaben der EU-Kommission das Kraftwerk Boxberg des Energieunternehmens LEAG in der Lausitz sein. Dort wird das Kraftwerk noch mit Braunkohle befeuert. Gewaltige Batteriespeicher sollen zukünftig überschüssigen Strom aufnehmen, durch Wind- und PV-Anlagen erzeugt, die überwiegend auf dem Braunkohlegelände stehen . Nächster Baustein soll ein Elektrolyseur mit 110 MW (Megawatt) zur Herstellung von Wasserstoff sein. In Spitzenzeiten wird Wind- und Solarstrom in Wasserstoff gespeichert, bei Flauten oder Wolken wird dieser Wasserstoff zur Stromerzeugung genutzt. Schon 2028 soll der im neuen Kraftwerk in Boxberg erzeugte Wasserstoff grünen Strom erzeugen.

Das alles hört und liest sich gut an. Aber es ist der erste Tropfen auf einen sehr heißen Stein.

Schauen wir uns einmal die Mengen an, um die es bei der Substitution von Erdgas durch Wasserstoff geht. Um ein vergleichbares Maß zur Verfügung zu haben, wurde der „Normkubikmeter“ (Nm3) definiert. Der Nm3 wird gerechnet bei 0° C und einer Atmosphäre Druck.

Ein Nm3 Wasserstoff wiegt 0,0899 kg; ein kg Wasserstoff enthält etwa 33,33 Kilowattstunden (kWh) Energie. Damit kann ein Nm3 also 2,996 – also gerundet 3 kWh Energie transportieren. Die Herstellung von Wasserstoff ist äußerst ineffektiv: Um einen Nm3 Wasserstoff (ca. 3 kWh) durch Elektrolyse herzustellen, sind ca. 4,5 kWh Energie aus elektrischem Strom notwendig, der auch erst einmal anderweitig erzeugt werden muss.

Das Gemeinschaftskraftwerk Neckarwestheim II (GKN II) konnte theoretisch pro Jahr ca. 12,5 Mrd. kWh Strom erzeugen. Damit könnten also gerundet 4,17 Mrd Nm3 Wasserstoff produziert werden. Bei Betrachtung aller Nachkommastellen sind es sogar ca. 4,21 Mrd. Nm3. Dieses Volumen entspricht 378.500 Tonnen – bei maximaler Auslastung, wohlgemerkt.

Der Plan, bis zum Jahr 2030 10 Mio.. Tonnen Wasserstoff zu produzieren, bedeutet im Durchschnitt pro Jahr eine Produktion von 2 Mio. Tonnen, was der Leistung von mehr als fünf Kernkraftwerken der Größe des GKN II entspricht – 2.000.000 ÷ 378.500 = ~5,284.

Der geplante Eletrolyseur von der Lausitz kann bei maximaler Auslastung 2100 kg Wasserstoff in der Stunde, also ca. 18,4 Mio. kg im Jahr produzieren. Es bedürfte also über 100 dieser Anlagen (genau 108,719287), um 2 Mio. Tonnen Wasserstoff zu produzieren. Der Strombedarf dieser Anlagen summiert sich auf ca. 100 Mio. kWh für die Produktion dieser Menge.

Roland Dreizler Wasserstoff
Der stetige Tropfen höhlt den Stein

Grundsätzlich geht es der EU-Kommission darum, fossile Brennstoffe durch Wasserstoff zu ersetzen. Alleine der Erdgas-Verbrauch summiert sich im Jahr auf  77,5 Milliarden Kubikmeter (Stand 2022). Der Begriff ‚Erdgas‘ ist allerdings keine feste Größe, denn je nach Methangehalt wird zwischen L-Gas und H-Gas unterschieden, was sich auf die Dichte des Gases auswirkt. Im Mittel enthält diese Gasmenge etwa 817,6 Mrd. kWh an Energie.

2 Mio. Tonnen Wasserstoff enthalten etwa 66 Mio. kWh an Energie, d.h. um den Erdgasverbrauch auf null zu reduzieren, müsste mehr als die 12.000-fache Menge Wasserstoff produziert werden. Dabei ist jedoch nur das Erdgas eingerechnet, das zur Stromerzeugung verwendet wird, d.h. dazu käme noch Erdgas für Kraftfahrzeuge, Gasherde und Gasheizungen. Bei der Stromerzeugung macht Erdgas weniger als 14 Prozent der Gesamtmenge aus, der Rest entfällt auf Öl, Kohle und Erneuerbare.

Es ist an dieser Stelle müßig, noch weiter im Detail zu forschen. Auch wenn sich 10 Mio. Tonnen Wasserstoff nach viel anhören, sind sie doch nur ein Tropfen am Eimer, angesichts des tatsächlichen Energiebedarfs. Von den Anlagen, die zur Herstellung des Wasserstoffs notwendig wären, müssen die meisten erst noch gebaut werden. Eine Infrastruktur, wie sie zur Verteilung des Wasserstoffs notwendig wäre, existiert ebenfalls nur in Fragmenten.

Was Ursula von der Leyen und die EU-Kommission hier betreiben, ist reine Augenwischerei. Mit den irrsinnigen Kosten, die für dieses Projekt auf das Land zukommen kann nur ein irrsinnig kleiner Bruchteil des Energiebedarfs gedeckt werden (etwa 0,0001 Prozent). Dabei ist immer noch nicht berücksichtigt, wo eigentlich der Strom herkommen soll, um die vielen Tausend benötigten Elektrolyseur-Anlagen zu betreiben.

Für den normal gebildeten Bundesbürger bedeutet es eine große Anstrengung, hinter die wahren Dimensionen der Energiepolitik zu blicken. Hat man sich diese Mühe jedoch einmal gemacht, wird das ganze Ausmaß der Inkompetenz, die Verlogenheit und der deutliche Wille offenbar, die Bevölkerung zu betrügen.

Gez. Roland Dreizler

 

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